Förderchaos um E-Autos: Die Geschichte von der Eintagsfliege 442
Das Förderprogramm 442 wird in die Geschichte bundesdeutscher Wirtschaftspolitik eingehen als ganz besondere Posse. Als weiterer Beweis der Handlungsunfähigkeit unseres Behördenapparats für die Reform zur elektrischen Mobilität. Als Kakophonie liberaler Politikorchestrierung.
Es startete zunächst als Besserverdiener-Programm: Unter dem Titel „Solarstrom für Elektroautos“ stellte das Bundesverkehrsministerium unter Leitung von Volker Wissing, FDP, 500 Millionen Euro dafür zur Verfügung, dass interessierte Bürger und Bürgerinnen für einen Zuschuss von maximal 10.200 Euro ein ganzes Heim-Programm aus Ladestation, Photovoltaikanlage und Solarstromspeicher für ihre Bestandsimmobilie kaufen und einbauen, um ihr bidirektionales E-Auto jenseits öffentlicher Ladeinfrastruktur zu laden.
Vom Reißbrett aus betrachtet, ist diese Kombipackung inhaltlich sinnvoll und macht klar, dass Elektromobilität in einem System autarker Energieproduktion stattfinden kann – keine Netzabhängigkeit, keine Importe, keine politischen Preise. Mehrheitlich laden Privatnutzende ihr Fahrzeug von zu Hause und am Arbeitsplatz; eine Weisheit, die inzwischen 15 Jahre alt ist. Sonnenenergie vom eigenen Hausdach noch dazu – zur Versorgung von Auto und Leben, Sommer wie Winter, Tag wie Nacht und vielleicht sogar mit Restenergie für das Stromnetz – das ist das Komplettpaket ökologischen Neuanfangs.
Dumm nur, dass dieses Paket an Kriterien allein einem Bruchteil gutverdienender Bevölkerung offenstand. Dumm außerdem, dass am Tag des Programm-Starts die Server der zuständigen KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) zusammenbrachen. Und ganz dumm, dass das Programm nach 20 Stunden für ausgeschöpft erklärt wurde. Nicht einmal einen Tag lang konnte man den staatlichen Antrag zum Programm 442 stellen, um das Elektroauto mit Solarstrom zu laden.
Die Kommentare im Internet überschlugen sich daraufhin: Chaostage bei der KfW, Highway zur Planwirtschaft, Abwrack-Prämie für Porsche Fahrer; das waren noch die kurzen Bewertungen. „Das als ‚Erfolg‘ zu verkaufen, ist wie zu sagen, dass das Auskippen von Geld auf dem Marktplatz mit der Schubkarre ein Erfolg ist, weil es zehn Minuten später weg ist, durch Leute, die sich darum geprügelt haben.“
Oder: „So wird die Energiewende nachhaltig sabotiert – man könnte fast meinen, das ist die Absicht der FDP.“
Oder: „Gewinnen werden am Ende ein paar Antragssteller, die die Zeit hatten, stundenlang online zu warten, bis der Server lädt, und Unternehmen, die die IT der KfW austricksen mit einer Fast Lane durch den völlig überforderten IT-Wildwuchs einer Staatsbank.“
Am Morgen des Desasters hatte ausgerechnet derselbe zuständige Minister auf einem Mobilitätsgipfel des Berliner Tagesspiegel die Fortschritte beim Ausbau der staatlichen Digitalisierung gelobt. Der Herausgeber der Zeitung war so geplättet, dass er keinerlei ernstzunehmende Gegenfrage zum Einfluss auf die Volkswirtschaft stellte.
Was bleibt, ist bei den Konsument:innen die Konditionierung, immer auf Subventionen zu warten. Nicht ohne Geld vom Staat auch nur irgendwas zu machen. Ausgerechnet auf Initiative der Freien Demokratischen Partei. Auf Seiten der Wirtschaft dagegen dürfte es kochen. Verfehlte Förderpolitik erleben die Unternehmen vom Zweirad bis zur Logistik nunmehr seit Monaten. Von Staatsseite wird vieles versprochen für Greenwashing-PR und dann ganz schlecht ausgezahlt oder der Prozess zeitlich massiv verschleppt. Auch jetzt ließ das Ministerium wieder wissen, dass zunächst nur 300 Millionen im Topf seien. Weitere 200 Millionen Euro könnten 2024 bereitstehen, vermutlich mit Auszahlung für 2026. Das hat Methode. Hier versuchen Bürokraten zu tricksen mit den Klimazielen für 2030.
Und währenddessen fließen die Subventionen für Benzin und Diesel in Deutschland weiter. Weit mehr als für 500 Millionen. Ganz ohne Verzögerung und IT-Schwierigkeiten.
Kurt Sigl, BEM-Präsident
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