Nachhaltigkeit und Akkureparatur bei Porsche: Turbo und Turbienchen

Elektromodelle, E-Fuels, eigener „Turbienchen“-Honig: In Sachen Umweltschutz hält Porsche den Ladedruck hoch. (Von Gregor Soller)

Millionen süße Mitarbeiter: die Bienenvölker in Zuffenhausen und Leipzig. Bild: Porsche
Millionen süße Mitarbeiter: die Bienenvölker in Zuffenhausen und Leipzig. Bild: Porsche
Gregor Soller

Das Thema CO2-Neutralisierung treibt Porsche unter Hochdruck voran: Nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. In den letzten Wochen sind wir nicht nur Porsche gefahren, sondern erhielten auch aus den Standorten jede Menge News und konnten unter anderem einem Akkureparaturworkshop beiwohnen.

Porsche schafft Platz für Imker und Hirten

Schon länger engagiert sich Porsche indirekt in der Bienenzucht. Denn mehr als die Hälfte der 560 Bienenarten ist vom Aussterben bedroht: Bereits 2017 siedelte man in Leipzig drei Millionen Bienen an, 2020 stockte Porsche seine summenden „Mitarbeiter“ auch am Stammsitz um 650.000 Honigbienen auf. Auf einer typisch schwäbischen Streuobstwiese dürfen sich jetzt Honig- und Wildbienen, aber auch Hummeln und andere Insekten tummeln und an einer bunten Blütenvielfalt laben. In Leipzig teilen sich die Bienen das 132 Hektar große naturbelassene Offroad-Gelände mittlerweile mit elf finnischen Landschafen. Der regionale Schäfer Lars Kühne führt sie dort bis Oktober auf die Weide. Der Schäfer freut sich: „Ich erhalte eine ertragsreiche Weidefläche und Porsche Leipzig kann auf die mechanische Bewirtschaftung der Grünfläche verzichten. Gleichzeitig schafft die Beweidung Lebensräume für Vogelarten und eine abwechslungsreiche Pflanzenwelt.“ Dazu kommen Auerochsen und Exmoor-Ponys, die als „grasende Landschaftspfleger“ ein Mosaik aus kurz- und langrasigen Flächen schaffen sollen. Beke Dubbels, Verantwortliche für Naturschutz bei Porsche Leipzig, erklärt dazu: „Die gezielte Aufbereitung und Pflege von mehr als 1,2 Hektar Blühwiesen auf unserem Naturgelände ermöglicht Insekten eine Lebensgrundlage. Zugleich sind die Insekten ein wichtiger Bestandteil des Ökosystems im Offroad-Gelände.“ Womit Porsche neben leckeren Turbos auch leckeren Turbienchen-Honig produziert und in seinen Shops verkauft. Fahrzeuge sind größtenteils Stehzeuge: Der Taycan als Pufferspeicher

Damit wären wir bei Taycan Turbo und Co, die trotz aller Schnelligkeit in der Regel auch 90 Prozent ihrer Zeit stehen. In diesen Phasen kann sich der Taycan als Pufferspeicher nützlich machen. Dabei plant Porsche statt Bienen- intelligent gesteuerte Hochvoltakkuschwärme, die Strom puffern können. Denn auch wenn Wind und Sonne einmal ausbleiben, muss das Stromnetz ausgeglichen sein und konstant bei 50 Hertz Netzfrequenz stabilisiert werden, sonst gehen die Lichter aus. Das federn aktuell vor allem konventionelle Kraftwerke ab. Spannt man jetzt viele Hochvoltakkus als Pufferspeicher zusammen, könnte man den Fahrern der Elektroautos ihren Beitrag zur Regelenergie finanziell vergüten. Weshalb Porsche mit mehreren Taycan einen realitätsnahen Pilotversuch gestartet hat, gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW und dem Beratungsunternehmen Intelligent Energy System Services (IE2S). Dazu schloss man fünf Serien-Taycan sowohl in häuslicher Umgebung als auch unter Laborbedingungen über den Porsche Home Energy Manager (HEM) ans Stromnetz an. Lutz Meschke, stellvertretender Vorstandsvorsitzender und Vorstand Finanzen und IT der Porsche AG, hat dazu gleich mehrere Ideen: „Ein derartiges Pooling-System lässt sich nicht nur für den Regelleistungsmarkt nutzen. Erweiterte Lösungen für Green Charging und andere Vehicle-to-Grid-Anwendungen sind gleichfalls denkbar. Hinzu kommt: Wenn Elektrofahrzeuge künftig elektrische Energie zum Beispiel aus privaten Photovoltaikanlagen ins Netz zurückspeisen und so zum Ausbau der regenerativen Energie beitragen, erhöht das die Akzeptanz der E-Mobilität weiter.“ Praktisch: Das Pooling-System koordiniert die Ladevorgänge in Echtzeit

Kernelement der Datenkommunikation ist ein von IE2S entwickeltes, cloud-basiertes Pooling-System. Dieses koordiniert die Ladevorgänge der Elektrofahrzeuge. Dabei übersetzt es die Regelleistungssollwerte des Netzbetreibers in fahrzeugspezifische Signale, die die Ladevorgänge in Echtzeit steuern. Außerdem regelt das Pooling-System den hochfrequenten und zeitsynchronen bidirektionalen Datentransport. Testweise wurde es auch an die Hauptschaltleitung von TransnetBW in Wendlingen bei Stuttgart angebunden, was vor allem in Sachen Datenkommunikation eine Herausforderung war. Trotzdem war Dr. Rainer Pflaum, CFO bei TransnetBW, sehr zufrieden: „Ein echter messbarer Meilenstein: Das Projektteam hat es geschafft, die komplexe Kommunikationsinfrastruktur zwischen unserem Leitsystem und mehreren Elektrofahrzeugen zu realisieren. Zugleich wurden die strengen Vorgaben für das Vorhalten und Erbringen von Regelreserve erfüllt. Damit können wir Elektromobilität in das intelligente Stromnetz der Zukunft integrieren.“

Anschließend wechseln wir von Schwaben nach Chile, wo Porsche das Thema E-Fuels vorantreibt. Denn perspektivisch wollen auch die vielen klassischen Porsche – noch großteils Sechszylinder-Boxer – CO2-neutral bewegt werden. Dazu investierten die Zuffenhausener zuletzt 75 Millionen Dollar in HIF Global LLC – eine Holdinggesellschaft international tätiger Projektentwickler von E-Fuels-Produktionsanlagen in Santiago de Chile. Die baut unter anderem die „Haru Oni“ E-Fuels-Pilotanlage in Punta Arenas in Chile – ein Projekt, das übrigens durch Porsche initiiert wurde. Mit an Bord sind unter anderem Siemens Energy und ExxonMobil. Mitte 2022 soll die Produktion von E-Fuels starten, die mit Windenergie aus Wasserstoff und CO2 hergestellt werden. Diese synthetischen Kraftstoffe sollen einen potenziell nahezu CO2-neutralen Betrieb von Verbrennungsmotoren ermöglichen – auch wenn die Gesamtenergiebilanz eher lausig ausfällt. Trotzdem bleibt es für den riesigen Verbrennerbestand spannend. Deshalb sollen perspektivisch weitere industrielle E-Fuel-Anlagen in Chile, den USA und Australien entstehen, wo es viele erneuerbare Energien in Form von Sonne und/oder Wind gibt. Michael Steiner, Vorstand für Forschung und Entwicklung der Porsche AG, denkt dabei schon weit über die eigenen (klassischen) Sportwagen hinaus: „Die synthetischen Kraftstoffe sind verkehrssektorübergreifend interessant: Für die Automobilindustrie ebenso wie für die Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie. Zudem ist E-Methanol ein wichtiger Grundstoff für weitere Anwendungen. Etwa in der chemischen Industrie, wo es Rohstoffe fossilen Ursprungs ersetzen kann. Das E-Methanol ist ein Zwischenprodukt, das beim Erzeugen von E-Fuels entsteht.“ Die Tests im Labor und auf der Rennstrecke verlaufen erfolgreich. Im nächsten Schritt möchte man sie in Leuchtturmprojekten im Motorsport einsetzen. Perspektivisch denkt Porsche auch darüber nach, E-Fuels für neue Verbrenner bei der Erstbetankung in der Fabrik sowie in den Porsche Experience Centern zu nutzen.

Akkureparatur: Sehr selten, aber sehr gut machbar

Wir sind wieder zurück in Zuffenhausen, genauer gesagt im Werk 4, Bau 66. Dort tauscht Service Techniker Adrian Kotnik zusammen mit Servicetrainer E-Mobility Peter Reck exemplarisch ein Modul eines Taycan-Akkus. Aktuell ist das noch extrem aufwendig und teuer: Das Modul kostet 1.000 Euro und man muss mindestens drei ganze Arbeitstage rechnen. Denn zuerst muss der ganze Akku nach unten abgesenkt und entnommen werden. Dann muss der vielfach geschraubte und verklebte Deckel runter, bevor man an die Steuergeräte kommt – und erst dann kommt man an die Module, die beim großen Taycan-Akku im Heck auch noch zweistöckig verbaut sind. Im Anschluss muss gemessen werden, welche Zelle zu tauschen ist, bevor sich der Hochvolttechniker an die sonst sehr saubere Arbeit machen darf. Die damit beginnt, die Modulverbinder auseinanderzuschrauben, um das zu tauschende Modul auch stromseitig von den übrigen Modulen zu trennen.

All das erledigt Kotnik ruhig und präzise, immer wieder unterstützt von seinem Trainerkollegen Reck, der ihm hilft, per Heizdraht die Dichtung zwischen Akkugehäuse und -deckel aufzuschneiden, um die große Abdeckplatte anschließend beiseitezulegen. Die Akkukapazität sollte auch nach 200.000 Kilometern kein Problem sein

Doch wie oft kommen solche Akku- oder Zelldefekte überhaupt vor? Hier gibt Daniel Schukraft, Vice President Aftersales & Customer Care, Entwarnung: Die Quote liege bei rund einem Prozent – das sind bei 90.000 verkauften Taycan 900 Einheiten. Davon konnte man 80 Prozent reparieren, ohne den ganzen Akku tauschen zu müssen. Was man anfangs gern tat, um möglichst viele „Rückläufer“ untersuchen und reparieren zu können. Das hilft: Seit März 2022 hat man laut Schukraft eine Reparaturquote von 100 Prozent. Akkureparaturen sind also machbar und die „große Bugwelle“ an Reklamationen, die jeder Autohersteller bei komplett neuen Modellen in der Regel erwartet, blieb aus. Zumal man mit den künftigen Akkus wieder viele Schritte weiter sein wird, wie man in Zuffenhausen durchblicken lässt: Schon die nächste Generation wird einfacher aufgebaut und auszubauen sein und man kann über die Software auch das Thema „predictive Maintenance“ noch viel weitertreiben, um die Akkulebensdauer weiter zu erhöhen. Und sogar zur Dauerhaltbarkeit lässt sich den Zuffenhausenern schon eine Aussage entlocken: Man habe erste Testakkus bewusst gequält und zig Zyklen durchlaufen lassen, inklusive extrem ungünstiger Temperaturen sowie sehr starken Lade- und Entladeströmen. Trotzdem habe man es nicht geschafft, diese im „Zeitraffer“ auf 70 Prozent Restkapazität zu quälen. Größeren Aufwand verursachen am Akku eher die Pumpen samt Pumpenschaltungen, die dafür sorgen, dass die Energiequelle sich temperaturseitig wohlfühlt.

„Man kann de facto jeden Akku reparieren.“

Daniel Schukraft, VP Aftersales & Customer Care

Mittlerweile hat Kotnik das Modul entnommen und das Tauschteil per Modulbalancer an die Kapazität der anderen Module angeglichen. Eingesetzt wird es mit einer blauen Paste als „Lückenfüller“, auf der es sauber aufliegt. Dann wird gemessen, bevor der Modulverbinder wieder draufgeschraubt wird. Die Kleberaupe des Gehäuses wird um ein bis zwei Millimeter zurückgeschnitten und mit Aktivator bestrichen, bevor Kotnik eine gekonnte Kleberaupe auf den Deckel setzt. Kollege Reck hilft beim Aufsetzen und Anschrauben. Das Aufkleben ist übrigens eine Challenge, denn Aktivator und Kleber ziehen binnen 20 Minuten an und die Gehäusekanten sind komplex. Weshalb beim Hochvolt-Lehrgang Porsche-intern eine „Klebechallenge“ läuft, wie Kotnik lächelnd erklärt: Der Rekord läge derzeit bei zwölf Minuten 45 Sekunden. Am Schluss folgt ein End-of-Service-Test und der Rahmen wird mit 2.000 Volt beaufschlagt, um sicherzustellen, dass es zwischen ihm und dem Modul keinen Kontakt gibt.

Hört sich alles aufwendig, kompliziert und teuer an – was es auch ist: Rund 6.000 Euro veranschlagen die Zuffenhausener aktuell für einen (hoffentlich nie nötigen) Modultausch und nein, einzelne Zellen lassen sich leider nicht einzeln ersetzen. Doch auch hier gilt: Lessons learned! Bei den nächsten Porsche-Stromern wird das ganze Prozedere bereits merklich einfacher und günstiger ausfallen. Womit es an der Zeit ist, sich ein Honigbrot zu schmieren und sich in die Blütenwiese hinterm Werk zu werfen.

Auf den Punkt

Es ist … ein großes Antriebs- und Infrastrukturprojekt.

Ideal für … das Gewissen aller Porsche-Fans und -Fahrer.

Schön, dass … Porsche aktuell so viele Projekte am Laufen hat.

Schade, dass … man den Honig nicht überall kaufen kann.

Deutschlands hohe Anforderungen an die Regelleistung

Aus Sicherheitsgründen gelten in Deutschland hohe Anforderungen an die Regelleistung. Beim Taycan-Pilotversuch ergaben detaillierte Messungen, dass die Sollwerte aus dem Netzleitsystem erfüllt werden. Das gilt sowohl für Primär- (FCR: Frequency Containment Reserve) wie für Sekundärregelenergie (aFRR: automatic Frequency Restauration Reserve). FCR ist zur schnellen Stabilisierung des Netzes nötig, aFRR hingegen muss erst innerhalb von fünf Minuten in voller Höhe zur Verfügung stehen. Die Messungen erfolgten im Leitsystem, in den Liegenschaften (Taycan, Mobile Charger und HEM) sowie im Pooling-System. Für FCR wurden die Funktionen des HEM um eine lokale Frequenzmessung erweitert.

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Seite 68 bis 71 | Rubrik infrastruktur
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