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Mehr Mobilität bei weniger Verkehr

Die Antriebswende ist nicht genug: Für Forscher Alexander Rammert von der TU Berlin braucht nachhaltige Betriebsmobilität mehr Flexibilität, etwa mit Homeoffice, Co-Working und Sharing. Dadurch ließen sich Fahrten vermeiden oder mit Leichtfahrzeugen absolvieren. Ein Mobilitätsindex soll bei der Analyse helfen. Langfristig entsteht so ein Wettbewerbsvorteil. (Von Johannes Reichel)

 Bild: J. Reichel
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Redaktion (allg.)

Herr Rammert, Mobilität verursacht Verkehr, ist eine Ihrer zentralen Thesen. Was genau bedeutet das und warum ist „Mobilität“ so viel schwieriger zu verstehen als Verkehr?

Alexander Rammert: Mobilität beschreibt unseren persönlichen Möglichkeitsraum, auf dessen Basis wir entscheiden, wann wir wohin müssen und in welcher Form wir dies tun. Das bedeutet, meine Mobilität bestimmt, wie ich morgens zur Arbeit fahre, wie meine Kinder zur Schule kommen oder wohin wir in den Urlaub fliegen. Daran wird deutlich, wie zentral die Mobilität für die gesamte Verkehrsentwicklung ist. Für unsere Gesellschaft entsteht also ein Mehrwert, wenn wir die Mobilität der Menschen verstehen und sie im besten Fall zu einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung beeinflussen können.

Da Mobilität aber die unsichtbare Hand im Hintergrund ist, ist sie weitaus schwieriger zu messen und zu verstehen als der sichtbare Verkehr. Wir benötigen also analog zur Verkehrsplanung Instrumente und Prozesse, um die Mobilität verstehen und zielorientiert verändern zu können.

Was verbirgt sich hinter Ihrer Idee des Mobilitätsindex?

Der von mir entwickelte Mobilitätsindex stellt ein solches Instrument dar, welches es erlaubt, die Mobilität von Menschen in verschiedenen Gebieten messen und bewerten zu können. Hierbei wird explizit nicht der Verkehr gemessen, sondern die Möglichkeiten der Menschen. Dazu gehören Erreichbarkeitsfaktoren, wie die Nähe zum nächsten Supermarkt, aber auch individuelle und subjektive Größen, wie die Verfügbarkeit von verschiedenen Verkehrsmitteln oder die sozialen Netzwerke der Menschen.

Mobilität ist damit weitaus mehr, als lediglich die Möglichkeit von A nach B zu kommen. Mobilität kann auch durch ein attraktives Lebensumfeld, gute familiäre und soziale Beziehungen oder digitale Arbeitsoptionen verbessert werden. Leider werden diese Faktoren in Deutschland noch nicht systematisch erfasst. Dies soll mein Mobilitätsindex ändern.

Ist die beste Mobilität die, die gar nicht entsteht?

Nein, die beste Mobilität ist die, die keinen oder nur wenig Verkehr erzeugt. Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele nennen. Im ersten haben wir den Arbeitnehmer in den Mittvierzigern, der tagtäglich mit dem Auto 60 Minuten aus der Vorstadt zu seinem Arbeitsplatz fährt. Gleichzeitig müssen seine Kinder wegen der fehlenden Nahverkehrsversorgung in der Vorstadt ebenfalls mit dem Auto zur Schule und zum Sport gebracht werden. Auch banale Grundbedürfnisse, wie das Einkaufen oder der Besuch beim Arzt, sind immer mit längeren Autofahrten verbunden. Dieser Mensch wendet einen Großteil seines Alltags für die Bewegung mit dem Auto auf und zahlt gleichzeitig noch viel Geld für den Besitz und Unterhalt seines Fahrzeugs.

Zweites Beispiel ist eine Studentin, die im Stadtzentrum wohnt und jeden Tag zehn Minuten mit dem Fahrrad zur Universität fährt. Durch ihre zentrale Lage kann sie innerhalb weniger Minuten fußläufig verschiedene Lebensmittelgeschäfte, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten erreichen. Ist ihr Fahrrad einmal nicht funktionsfähig, hat sie verschiedene Alternativen, wie mit der Straßenbahn, dem Carsharing oder dem Leihfahrrad, zu ihren Zielen zu kommen.

Im ersten Beispiel erzeugt der Arbeitnehmer unheimlich viel Verkehr, hat aber gleichzeitig kaum Flexibilitäten, also eine niedrige Mobilität. Die Studentin hingegen erzeugt an einigen Tagen vielleicht gar keinen Verkehr, da sie digital gut vernetzt ist und sich dadurch einige Wege sparen kann. Trotzdem hat sie eine hohe Mobilität, da sie nur auf kurze oder gar keine Verkehrswege angewiesen ist, um ihren Bedürfnissen nachkommen zu können. Wir sehen: Eine hohe Mobilität ist Voraussetzung, um an der Gesellschaft teilzuhaben, Verkehr ist das notwendige Übel, welches es zu reduzieren gilt.

Wissenschaft und Praxis galten lange als Gegensatz oder zumindest voneinander separierte Bereiche. Wie versuchen Sie, im Bereich Mobilität die Brücke in die Fuhrparks und Flotten zu schlagen und wie kommen Ihre Thesen in den Firmen oder Kommunen an? Spüren Sie mehr Offenheit oder Vorbehalte?

Für mich als Mobilitätsforscher ist es essenziell, dass die Erkenntnisse, die wir in der Wissenschaft sammeln, auch in die Praxis kommen. Insbesondere im Verkehrsbereich ist ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis unabdinglich, um langfristig unser Verkehrssystem nachhaltiger aufzustellen. Deswegen arbeiten wir sowohl in unseren Forschungsprojekten mit Kommunen und Unternehmen zusammen, als auch in Form von externen Vorträgen und Beratungen. Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, die Stakeholder zu befähigen, ihre eigenen Entscheidungen in Bezug auf die Mobilität besser reflektieren zu können. Gerade in den öffentlichen Verwaltungen sind dies dicke Bretter, die zu bohren sind.

Hier herrschen häufig noch immer sehr hierarchische Entscheidungsstrukturen und ingenieurszentrierte Herangehensweisen, die eine moderne Mobilitätsplanung erschweren. Aktuell erforsche ich explizit diese internen Barrieren in Verwaltungen und Unternehmen, um am Ende ein Lösungskonzept bereitzustellen, welches diese Hindernisse überwinden kann.

Die Transformation kostet im ersten Schritt für Firmen Geld und Zeit. Warum sollte man dennoch jetzt handeln und wie könnte sich das auch ökonomisch auszahlen?

Zunächst einmal sollte man tatsächlich mit dem Versprechen aufräumen, eine nachhaltige Betriebsmobilität führe kurzfristig zu ökonomischen Mehrwerten. Klar gibt es auch Beispiele von Firmen, die mit einer grundlegenden Umstrukturierung ihrer betrieblichen Mobilität auch Kosten einsparen konnten, dies ist aber der Ausnahmefall. Vornehmliches Ziel ist es ja, die Mobilität der Mitarbeitenden zu verbessern und gleichzeitig unnötige Verkehre zu vermeiden.

Um die Mobilität der Mitarbeitenden besser zu verstehen, braucht es zunächst einmal Zeit und personelle Ressourcen, die sich explizit mit der Mitarbeitermobilität auseinandersetzen. Daraus entstehen dann betriebsspezifische Mobilitätskonzepte, die auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter zugeschnitten sind. Attraktive Mobilitätsangebote wie Homeoffice-Optionen, dezentrale Arbeitsstandorte, Jobtickets oder Sharingfahrzeuge können dann auch langfristig dazu führen, dass ein Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird. Ein immer relevanter werdender Faktor unter dem zunehmenden Fachkräftemangel. So kann mittel- bis langfristig ein betriebliches Mobilitätsmanagement den Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bieten, der sich dann auch in ökonomischen Mehrwerten widerspiegelt.

Warum reicht es nicht, den Verbrenner in der Flotte durch einen Stromer zu ersetzen?

Die Frage muss zunächst lauten, was denn das eigentliche Ziel ist: Wollen wir als Gesellschaft ein nachhaltiges Verkehrssystem haben oder geht es lediglich darum, die aktuellen Gewohnheiten der Automobilität mit möglichst wenigen Veränderungen beizubehalten?

Eine reine Antriebswende, also ein Austausch aller Kraftstoff-Pkw mit elektrischen Pkw, ist reine Makulatur an der CO2-Bilanz des Unternehmens, die Mobilität der Mitarbeitenden wird aber dieselbe bleiben.

Ist das Ziel hingegen ein nachhaltiges Verkehrssystem, muss immer auch die Vermeidung von Verkehren eine zentrale Rolle spielen. Hier kann Elektromobilität eine Rolle spielen, aber immer nur als Teil eines größeren Gesamtkonzepts. Kombiniert mit Sharingmodellen, Wegeoptimierungen und Flottenreduktionen kann der betrieblich erzeugte Verkehr reduziert und gleichzeitig die Mobilität der Mitarbeitenden erhalten werden.

Wie erklären Sie Politikern, die vor allem auch die „Arbeitsplätze“ in der Industrie ins Feld führen, dass es dennoch eine Abkehr von der „Auto“-zentrierten Mobilität braucht? Es wird ja oft in der Debatte vernachlässigt, dass ja auch Arbeitsplätze in der New Mobility und in der Fahrradindustrie entstehen.

Wenn immer gegen Innovationen und Transformationen mit dem Argument der wegfallenden Arbeitsplätze argumentiert wird, sind dies in der Regel vorgeschobene Begründungen, die den dahinterliegenden Konservatismus verschleiern sollen. Noch nie in der Weltgeschichte hat ein Technologieführer aufgrund von Arbeitsplatzbedenken seine Innovationsfähigkeit unnötig eingeschränkt.

Der freie Arbeitsmarkt hat ja gerade den Vorteil, dass sich die Arbeitskräfte flexibel an die neuen Rahmenbedingungen adaptieren können. Denken wir nur einmal an die Corona-Pandemie, bei der innerhalb weniger Monate Millionen Fachkräfte in Gastronomie und Hotelgewerbe de facto arbeitslos wurden. Wie lässt sich unter solchen Eindrücken argumentieren, dass wegen 400.000 Arbeitsplätzen in der Autoindustrie wir an überholten Technologien festhalten sollen?

Am Ende entstehen ja durch Innovation und Transformation viele neue Berufsfelder. Insofern sollten die Arbeitsplätze in den bestehenden Industrien niemals handlungsleitend für politische Entscheidungen sein.

Soziologen sprechen von Pfadabhängigkeiten, auch in Bezug auf Technologien, die sich als falsch herausstellen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir die Abhängigkeit vom vor über hundert Jahren eingeschlagenen Pfad „Automobil“ noch rechtzeitig verlassen können?

Also zunächst einmal würde ich den Pfad des Automobils nicht als „falsch“ beschreiben. Das Automobil hat uns als Gesellschaft dabei unterstützt, eine viel höhere Mobilität zu erreichen. Dies wiederum hat zu vielen sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen geführt. Gleichzeitig zahlen wir jedoch für unsere Automobilität einen hohen Preis: sowohl in Form von Klimafolgekosten als auch die direkten schadstoffbedingten gesundheitlichen Schäden.

Insofern brauchen wir aktuell neue Innovationen, welche uns die bisherige Mobilität ohne die vielen Folgekosten ermöglichen. Wichtig ist hierbei, dass es um dieselbe Mobilität geht, nicht um denselben Verkehr. Insofern reicht es nicht aus, lediglich alle Verbrenner durch Elektroautos zu ersetzen.

Gerade in Städten ist der Autoverkehr mittlerweile in der Minderheit und verliert nach und nach Flächenanteile am Verkehrssystem. Dementsprechend würde ich das Verbrennerauto weniger als Pfadabhängigkeit als vielmehr als überholte Technologie betrachten. Ebenso wie Pferdekutschen oder Dampflokomotiven werden diese überholten Technologien früher oder später abgelöst.

Hier kann jedoch eine nationale Pfadabhängigkeit dazu führen, dass die Innovation von woanders kommt und das eigene Land der Entwicklung hinterherläuft. Anfänge davon können wir aktuell in Deutschland beobachten.

Ihre Vision – wie müsste im Jahr 2030 eine „Paris-konforme“ betriebliche Mobilität aussehen, wie müsste der Mix sein?

Ein nachhaltiges Unternehmen setzt in meiner Vorstellung durchgehend auf flexible Mobilitätslösungen. Dabei überwindet das Unternehmen seine Standortabhängigkeit und bildet vielmehr ein Netzwerk aus verschiedenen Büros und Arbeitsplätzen, die über eine größere Region verteilt sind. Vernetzt sind diese Unternehmensstandorte durch digitale Kanäle, welche die verschiedenen Bereiche auch mit Homeoffice-Arbeitsplätzen verbinden. Durch die Abdeckung in der Fläche können viele betriebliche Fahrten auf Elektrokleinstfahrzeuge und Fahrräder verlagert werden, was durch die bis 2030 eingesetzte fahrzeuggrößenabhängige Steuer den Unternehmen viel Geld spart.

Einige Unternehmensstandorte bieten dabei zusätzlich weitere Serviceleistung wie Kinderbetreuung oder betriebliche Gesundheitsdienste an, um die alltäglichen Wege der Mitarbeitenden weiter zu reduzieren. Das Unternehmen ist damit ein attraktiver Arbeitsgeber in der Region, da es seinen Mitarbeitenden viel Flexibilität bietet und gleichzeitig ausschließlich kurze Anfahrtszeiten bedingt. Dass dies übrigens keine Vision von 2030 sein muss, sehen wir bei vielen Unternehmen aus der sogenannten „New Economy“ in den Niederlanden oder Skandinavien.

Langfristig werden politische und ökonomische Rahmenbedingungen dazu führen, dass diese Entwicklungsrichtung die einzig tragbare Lösung für Unternehmen ist. Hier können aktuell Unternehmen entscheiden, ob sie darauf warten wollen, bis Gesetze und Richtlinien sie entsprechend zum Handeln zwingen, oder ob sie schon jetzt mit eigenen Ideen progressiv vorangehen wollen.

10. SIGNal Flottentag: Flottes Treffen mit Promi- und Premieren-Faktor

In zehn Jahren wuchs der Flottentag des Folierungsspezialisten Signal in Schwäbisch-Hall zum veritablen Branchentreff für Fuhrparkmanager. Diesmal gar mit Fahrzeugpremieren von MG und Lotus – und Promi-Talkgast, Ex-VW-Chef Matthias Müller. TU-Mobilitätsforscher Alexander Rammert bildete das Gegengewicht: Mobilität ist mehr als „Auto-Mobilität“.

Der 10. Flottentag des Fahrzeugfolierungsspezialisten Signal in Schwäbisch-Hall lockte mehr denn je Fachleute aus Firmen und Fuhrparks sowie zahlreiche Aussteller an: Vor etwa 250 Gästen sorgte zudem Ex-VW-Chef Matthias Müller für ein Debatten-Highlight und der Mobilitätsforscher Alexander Rammert von der TU Berlin für ein inhaltliches Gegengewicht. Zudem gaben sich 47 Aussteller die Ehre und präsentierten Neuheiten aus den Bereichen Fahrzeug, Flotte, Telematik, Software und Service. Die Besucher repräsentierten zugleich namhafte Unternehmensfuhrparks. „Wir haben gerade mal drei Verbrenner übrig und mit einem Plug-in-Hybrid hat man hier fast schon eine Alleinstellung“, bemerkte Signal-Geschäftsführer Markus Schäffler süffisant, der das Unternehmen für Fahrzeugfolierungen 1998 gegründet und 2013 den ersten Flottentag veranstaltet hatte – vor 30 Zuhörern, wie er betonte. Er verwies auf echte „Live-Premieren“ wie den MG4, den Nio EL7 oder den Lotus Eletre. Ebenso neu am Start, aber bereits auf der IAA im vergangenen Jahr zu sehen: der Ora Funky Cat aus dem Imperium des Wey-Konzerns, wie alle anderen Premieren von einem chinesischen Hersteller. Die deutlich erstarkte China-Konkurrenz bildete auch den Einstieg in den Motor-Talk mit Baden-Württembergs Wirtschaftsminister a.D. Walter Döring und Ex-VW-Chef Matthias Müller, der an die deutschen Hersteller appellierte, sich der chinesischen Konkurrenz mutig zu stellen. Er goutierte die produktseitigen Bemühungen der Anbieter und zollte etwa dem Ora oder dem Nio großen Respekt, betonte aber, dass es neben dem Produkt vor allem der Vertrieb, der Service und das Marketing sei, das entscheide.

China hat beim Vertrieb dazugelernt

Hier hätten die chinesischen Hersteller allerdings deutlich dazugelernt und starteten jetzt einen weiteren, weit aussichtsreicheren Anlauf, so Müller. Dennoch gebe es keinen Anlass für die deutsche Autoindustrie, zu kapitulieren, man habe die hiesigen Hersteller zu oft schon „totgesagt“. Lange habe man zudem von China profitiert, es sei ein Geben und Nehmen gewesen, auch VW habe diverse Kooperationen. Müller bezweifelte allerdings, ob die China-Marken es in fünf Jahren noch nötig hätten, so zu kooperieren, wie das bisher der Fall war.

Ansonsten machte sich Müller, für einen Ex-Porsche-Chef und 911er-Fan wenig verwunderlich, dafür stark, die Industrie bei der Suche nach der besten Technologie für klimafreundlichen Verkehr machen zu lassen, während die Politik nur einen Rahmen setzen solle. Er plädierte etwa vehement für Synfuels als Brückentechnologie für den Bestand an Fahrzeugen, sprach sich zugleich aber für eine Forcierung der Elektrifizierung bei Neuwagen aus. Der Druck in Sachen CO2 solle ruhig höher werden, der Weg aber der Industrie überlassen – und der Kundenentscheidung, was im Übrigen aus Müllers Sicht auch beim Thema autonomes Fahren gilt: Jeder soll selbst entscheiden, was er im Fahrzeug braucht. Das Auto und die Industrie behalte natürlich eine zentrale Rolle, darüber hinaus gelte es aber, „multimodal“ zu denken, erklärte der Ex-Topmanager, der früher selbst gerne mit der Bahn unterwegs war. Es müsse ein Angebot um das Auto herum geben, das man flexibel und nach Bedarf wählen könne. „Wenn jeder auf seinem Verkehrsmittel beharrt, geht nichts weiter“, meinte Müller.

Mobilität für Menschen: Ein Tesla ist noch keine Fuhrpark-Innovation

Im Gegensatz dazu plädierte der Mobilitätsforscher Alexander Rammert von der TU Berlin in seiner Keynote dafür, Mobilität nicht primär als „Auto-Mobilität“ zu begreifen und einen kompletten Reset zu machen, orientiert am Menschen: Was sind die Bedürfnisse und wie kann man sie bedienen, stellte Rammert als Leitfrage in den Raum.

Wobei man im Gespräch mit den Fuhrparkverantwortlichen dann erfahren konnte, dass nicht nur die Elektrifizierung der Unternehmensfuhrparks, also die Antriebswende tatsächlich längst im vollen Gange ist. Auch über bessere ÖPNV-Optionen zu den Firmensitzen macht man sich Gedanken, wenn etwa ein Sportartikelhersteller über eine eigene Buslinie sinniert, die den vom ÖPNV abgehängten Standort erschließen könnte. Hier stünden allerdings viele Vorschriften im Weg, etwa die des Personenbeförderungsgesetzes. Auch ein Dienstradmodell gibt es längst.

Und ansonsten gibt es für Dienstwagen längst ein striktes CO2-Regime, Neuanschaffungen sind fast ausschließlich rein elektrisch, Plug-in-Hybride gab es nie und der Diesel ist ein Auslaufmodell, das nur Mitarbeiter mit über 60.000 Kilometer Monatsstrecke genehmigt bekämen. Zeitnah wird die Ladeinfrastruktur mit 100 Ladepunkten massiv aufgestockt.

Neue Policy: Neuwagen nur noch elektrisch

Auch bei einem Bauunternehmen ziehen moderne Zeiten im Fuhrpark ein, wo jüngst eine neue „Car Policy“ beschlossen wurde, die Elektroautos klar Vorfahrt einräumt, auch wenn das in der Anschaffung respektive im Leasing erst mal teurer käme und man mit über Jahre eingespielten Gewohnheiten der (Diesel-)Fahrzeugwahl brechen müsse. Einhergeht auch hier der Ausbau der firmeneigenen Ladeinfrastruktur.

Wie sich eine solche am Unternehmensstandort leicht aufbauen lässt, darüber informierte etwa das Start-up ChargeX; wie man die E-Mobilität unterwegs sicherstellt, die HPC-Ladespezialisten EnBW oder Mer. Die komplette Dienstleistung von der Beratung bis zur Umsetzung der Ladeinfrastruktur übernimmt etwa das Joint-Venture von Schneider Electric und der Deutschen Bahn Inno2fleet. Und was die Telematik und Apps dabei beitragen können, stellten etwa Geotab, Webfleet oder Wollnikom dar. Und dass es eben nicht immer Auto sein muss in der Flotte, darüber informierte der Pionier Jobrad, bei dem man sich auf einer Fuhrparkveranstaltung keineswegs deplatziert fühlte. Man spüre eine deutlich größere Offenheit für das Thema, das Pedelec sei oft eine gute Alternative zum Dienstwagen. Nur beim Thema S-Pedelecs schiebe der Gesetzgeber einen „bremsenden“ Riegel vor, sonst böten die schnellen E-Bikes noch deutlich mehr Potenzial für das „Rad als Autoersatz“. Bei so viel allseitiger Offenheit, wer weiß, ob nicht beim 11. Flottentag in Schwäbisch-Hall die ersten Pedelecs oder E-Cargobikes gesichtet werden.

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Artikel Mehr Mobilität bei weniger Verkehr
Seite 74 bis 77 | Rubrik infrastruktur
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