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Klotzen statt kleckern: Immer häufiger werden Ladepunkte nicht mehr einzeln aufgestellt, sondern im Dutzend oder gar dreistellig. Dabei gilt es in der Praxis allerdings, einige Details zu beachten. (Von Gregor Soller)

 Bild: Skoda Auto
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Gregor Soller

Bei Trelleborg hatte man vier 22-kW-Schnelllader, die für Mitarbeiter und Kunden bald zu wenig wurden. Also plante man, deren Anzahl auf 36 zu erhöhen. Doch aufgrund der CO2-Vorgaben des Unternehmens und der guten Fördersätze installierte man dann am Ende 108 Ladepunkte mit 7,2 kWh und damit ein Drittel des ganzen Parkhauses in Stuttgart Vaihingen! Noch heute denkt Alexandra Traub, Teamleader Facility Management bei Trelleborg Sealing Solutions Germany, gern an die Planungen mit ChargeBig zurück, die erstaunlich unkompliziert verliefen. Treiber waren laut Traub nicht nur die eigenen Mitarbeiter und Kunden, sondern auch Aktionäre und der Kapitalmarkt forderten mehr und mehr Nachhaltigkeit – und Trelleborg selbst: Laut Traub sollen bis 2025 bis zu 50 Prozent CO2 eingespart werden, bevor man 2035 klimaneutral sein möchte. Der Fuhrpark am Standort Stuttgart soll ebenfalls bis 2025 komplett auf E-Mobilität umgestellt sein. Außerdem hat Trelleborg bereits damit begonnen, den Mitarbeitern den ÖPNV oder das Laden von Autos und Zweirädern zu bezuschussen. Wichtig war auch die Eichrechtskonformität und die Nutzungsmöglichkeit einer Ladeapp.

Über hundert Ladepunkte können auch einzeln zusammenkommen: an den Wohnorten der Mitarbeiter!

Wie Trelleborg planen aktuell viele Unternehmen, wenn auch nicht immer gleich, in dreistelligen Größen an einem Ort. Denn wie Neele Maria Hinck von Ewe Go berichtet, gibt es immer noch bei vielen Kunden einen „Wow-Effekt“, wenn sich herausstellt, dass das Laden am Arbeitsplatz und zu Hause im Idealfall Hand in Hand gehen (müssen) und vielleicht nicht 108 Ladepunkte in einem Parkhaus angebracht werden, sondern 54 am Arbeitsplatz und 54 weitere an den 54 Wohnorten der 54 Mitarbeiter. Das nimmt auch Florian Lüft, Head of Business Development bei Envision Digital, wahr.

Bei Reev beobachtet Gründer Eduard Schlutius, dass viele Kunden mit einer kleineren Anzahl starten, dann teils aber im Monatstakt neue Ladepunkte nachrüsten. Ähnliches bemerkt Julia Mücke, Projektentwicklerin bei Charge-V. Doch Florian Lüft von Envision Digital hat auch schon Kunden erlebt, bei denen das Thema „gar nicht so ganz oben auf der Agenda steht“. Und gerade im Bereich der Wohnungseigentümergesellschaft habe man oftmals damit zu kämpfen, dass viele Eigentümer oder Mieter nicht bereit sind, einen Teil der Einmal-Ertüchtigung der Infrastruktur als Grundlage einer zukünftigen Erweiterung zu tragen. „Das macht die nachträgliche Erweiterung manchmal schwerer, als diese sein müsste.“ Bei Firmen sei man hier deutlich offener und besser informiert. Ein wichtiges Thema ist entsprechend auch, genug Leerrohre vorzuhalten, wie Ronald-Mike Neumeyer, Leiter des Geschäftsbereichs Elektromobilität bei Swarco in Deutschland, anmerkt. Anschlussleistung? Bitte kontrollieren – aber sie ist in der Regel kein Problem

Entsprechend ist das Thema Anschlussleistung meist kein Problem, wie auch Christoph Erni, Gründer und Geschäftsführer von Juice Technology, weiß: „Es kam bei uns bisher erst einmal vor, dass die Anschlussleistung erhöht werden musste – in einem Haus aus den 20er Jahren. Mit cleverem Lastmanagement lässt sich die Situation sonst fast immer managen“, erklärt der Schweizer. Wobei die Anschlussleistung immer dem projektierten Set-up entsprechen und perspektivisch eher höher als niedriger ausfallen sollte.

Ein zentraler Punkt ist laut Erni auch die Zukunftssicherheit der Ladestationen. Deshalb konzipieren die Schweizer ihre Produkte mit konsequenter Softwareorientierung und wiederkehrenden Over-the-Air-Updates und -Upgrades, damit sie auf Jahre hinaus aktuell bleiben.

Immer wichtiger: Cybersicherheit und Abrechnungsmodelle

Das Unternehmen Ewe Go bietet das Programm billing@home an, um eichrechtskonform abzurechnen. Doch das Thema Cybersicherheit steckt nach der Erfahrung vieler Anbieter bei den Kunden noch in den Kinderschuhen. So hat Charge X alle seine Server in Europa. Dort werden die Ladedaten kryptografisch signiert ans Backend übermittelt. Außerdem überprüft man laut Monika Schels, Growth Marketing Managerin, regelmäßig die eigene IT-Infrastruktur. Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Anmerkung von Nicole Heinrich, bei der Mahle-Tochter ChargeBig verantwortlich für Sales and Marketing, dass die Direktzahlung der Kunden für Giro-/EC- oder Kreditkarten deutlich sicherer sind als Kundenkarten, zumal man sich hier nicht nochmal registrieren muss, wodurch die Daten noch besser geschützt sind. Heinrich ergänzt, dass sich das Thema Cyber Security sowohl auf organisatorische Aktivitäten, wie Sicherheitskonzepte für das Backend-Hosting, als auch auf den Umgang mit Kundendaten, beispielsweise im CRM-Tool, erstreckt. Auch das Produkt selbst ist laut Heinrich sicher aufgebaut und die IT-Sicherheit gewährleistet durch die Nutzung eines IT-sicherheitsgehärteten Industrie-PCs. Sie ergänzt: „Potenziell unbewachte Ladepunkte besitzen keinen Rückkanal zur Zentrale und bieten damit auch keine Angriffsfläche hinsichtlich IT-Sicherheit. Durch die Nutzung der Ladeapp ChargeBig verzichten wir auf unseriöse RFID-Karten, die leicht gehakt oder entschlüsselt werden können.“ Auch Charge-V arbeitet hier laut Julia Mücke mit Verschlüsselungssystemen und einem modernen Secret- und Key-Management. Ronald-Mike Neumeyer erklärt dazu, dass Swarco dazu in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien und Arbeitskreisen mitarbeitet, um die Sicherheit der Informationsverarbeitung zu gewährleisten. Alle Ladestationen werden über gesicherte Verbindungen an die Backends angebunden. Diese werden in ISO27001-zertifizierten Rechenzentren, also in sicheren Cloud-Umgebungen, betrieben: „Dabei trennen wir vor dem Hintergrund von Cyber Security und Datenschutz bewusst den technischen Betrieb der Ladeinfrastruktur von der kaufmännischen Abrechnung und verwenden zwei Backends: Für die Abrechnung der Ladevorgänge im kaufmännischen Backend speichern wir nur die nötigsten Daten. Und im technischen Backend stellen wir in Kombination mit unserem Field Service eine sehr hohe Verfügbarkeit der Anlagen sicher“, erklärt Neumeyer. Je mehr Produkte verknüpft sind, desto mehr Einfallstore für „Hacker“ gibt es

Erni von Juice verweist in dem Zusammenhang auch darauf, dass sich mit einer steigenden Anzahl von Playern die potenziellen Einfallstore für Cyberattacken vervielfachen. Deshalb agiert man nach dem Motto „Software First“ und „Security by Design“. Durch eine konsequente Softwareorientierung wird laut Erni sichergestellt, dass alle Schnittstellen per default geschützt sind und die gesamte Kommunikation verschlüsselt erfolgt. So gehört Juice zu den ersten Herstellern, die auf die ISO-Norm 15118 setzen und diese bei allen neuen Chargern einführen. Die in dieser Norm standardisierten Protokolle sorgen dafür, dass die Kommunikationsprozesse zwischen der Ladeinfrastruktur und dem Fahrzeug vor unerwünschtem Zugriff und Manipulation geschützt sind.

Um sich Anschlussleistung und -kosten zu sparen, arbeitet Charge X auch mit einer Power Sharing App und lokaler Ladelogik, sodass nur die Fahrzeuge geladen werden, die wirklich geladen werden müssen. Außerdem wird laut Scheels durch eine intelligente Phasenverteilung das gemeinsame Laden von Stromern und Plug-ins in einem Ladesystem kombiniert, um die Anschlussleitung weiter zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist allerdings auch, zusätzliche Speicherkapazität vor Ort zu installieren. Zum Thema Speicher hat Erni eine nette Anekdote parat: Ein früher Tesla-Kunde fragte, ob der Juice Booster2 so etwas wie eine Powerbank sei. Und wie viele Vollladungen da so drinsteckten, bis er nachgeladen werden müsse. Erni schmunzelt: „Der Gedanke hingegen wäre ja verlockend, in dem ein Kilogramm schweren Booster vielleicht drei Mal 100 kWh gewissermaßen komprimiert aufzubewahren. Bliebe einzig die Frage, warum dann der Tesla-Akku selbst rund 750 Kilogramm wiegt?“

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Seite 74 bis 77 | Rubrik infrastruktur
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