VM-Fahrbericht ICar: Wir waren schon damit unterwegs - und begeistert!
Liebe Leserinnen und Leser,
China boomt – zumindest auf der Auto China 2024, auf der die Europäer (und Amerikaner) eher Nebenrollen spielten: Zwar waren Audi, BMW, Mercedes-Benz und VW ebenso vertreten wie Jaguar Land-Rover, Volvo, Buick, Cadillac, Chevrolet, Lincoln und die europäischen Luxusmarken. Doch die große Neuheitenflut war auf den Ständen der chinesischen Anbieter zu sehen, inklusive eines neuen „Superakkus“ von CATL, bei dem eine Kilowattstunde Speicherkapazität umgerechnet nur noch 60 Euro kosten könnte. Heißt: Ein schon vergleichsweise großer 80-kWh-Akku würde dann „nur“ noch 4.800 Euro kosten, womit er, ganz grob gesprochen, in die Nähe eines Austauschmotors für ein Mittelklassemodell käme.
Hier wird handfest weiterentwickelt, ebenso wie bei den teuren Oberklassemodellen, die teils auch von Submarken der großen Hersteller stammen. Ihre teils jungen Chefs waren die neuen Stars der Messe: Als Lei Jun seinen Xiaomi SU 7 enthüllte, war die digitale Community ebenso aus dem Häuschen wie bei William Li, dem Gründer von Nio. Auch Wei Jianjun, Gründer von Great Wall Motors, wo man für BMW den Mini samt dem neuen Aceman baut, wurde gefeiert wie ein Superstar.
Weshalb das Land wie in einem Rausch immer neue Produkte und Marken hervorbringt. Wir durften der Händlertagung von Chery Automobile beiwohnen und trafen Vice President Charlie Zhang, der auch die Europa-Strategie leitet – auch er ein junger dynamischer Managerstar, der mit großen Schritten vorangeht. China feiert diese Gruppe der jungen Macher und es ist Trend, ihre Produkte zu kaufen, weshalb Chery neben Omoda und Jeacoo auch gleich noch die Edelmarke Exeed und die neue Einstiegsmarke ICar gründet. Den Namen ließ man sich Insidern zufolge bereits vor 18 Jahren schützen.
Doch auch in China tendiert der Pkw-Markt mittlerweile zu einer Seitwärtsbewegung und noch längst haben nicht alle Marken genug Volumen und Finanzpower, um langfristig zu überleben. Ein Chery-Mitarbeiter erklärte uns scherzhaft: „Wenn Du diese Preisschlacht überlebst, dann überlebst Du alle.“ Ein großer Vorteil Chinas ist, neben der vor zwei Jahrzehnten staatlich verordneten Langfriststrategie der Elektro-Transformation, der riesige Rohstoff- und Arbeitskräftereichtum. So baut BYD seine eigenen Akkus, die eigene Steuerelektronik und GWM besitzt eine eigene Lithium-Mine. Xiaomi kann sein komplettes eigenes Digital-Know-how ins Auto packen, wie es Apple auch mal angedacht hatte – und hat eine prall gefüllte Brieftasche aus seinen vielen übrigen Sparten von Handy bis Saugroboter.
Aber es gibt auch Schattenseiten: Denn noch immer arbeiten viele Fabriken bei Weitem nicht so effizient wie in Europa, sind aktuell unterausgelastet und Entscheidungen werden gern auch mal auf die lange Bank geschoben oder vertagt, weil Hierarchien eingehalten werden müssen und niemand gern nach vorn prescht, um notfalls seinen Kopf hinzuhalten. Und die Immobilienblase ist gerade am Platzen, was viele Unternehmen in Schieflage bringt. Niemand weiß, ob die mit staatlichen Geldern gepäppelte Auto-Branche mit ihren Dutzenden Marken nicht die nächste Blase ist, die platzt. Hier liegt auch der unschätzbare Vorteil der „westlichen“ Hersteller: Sie sind finanziell nachhaltig aufgestellt, auch wenn sie in China vor allem mit Oberklasse-Verbrennern noch „gutes“, fürs Klima eher „schlechtes“ Geld verdienen, das sie schleunigst in die Elektrifizierung reinvestieren sollten, um die Lücke nicht noch größer werden zu lassen.
Am Ende stehen hinter all den schicken Autos hüben wie drüben in den allermeisten Fällen nette Menschen, die mit ihren Familien einfach in Frieden leben wollen. Was das ständige politische Säbelrasseln umso unverständlicher macht. Auch die Idee der EU-Kommission, Elektroautos aus China mit einer Strafsteuer von bis zu 25 Prozent zu belegen, könnte nach hinten losgehen. Schon jetzt liegt der Zoll ja bei zehn Prozent nach Deutschland und 15 Prozent nach China. Es droht eine Strafzollspirale. Dacia Spring kommt ebenso aus China wie der zweitürige elektrische Mini samt dem Aceman. Dazu kommen alle Smart-Modelle und der Volvo EX30 aus China, diverse Honda-Modelle, DS 9 und Citroen C5 X und, und, und … Wo anfangen, wo aufhören? In Summe schießt man sich wohl eher selbst ins Knie, was etwa auch der Branchenverband VDA oder Mercedes-Chef Ola Källenius so sehen.
Wichtig ist, dass wir den CO2-Ausstoß im Verkehr runterkriegen und die Umwelt schützen, wobei kurz- und mittelfristig wegen der eigenen Versäumnisse der Europäer und dem langen Festhalten am Verbrenner auch E-Autos aus Fernost helfen müssen. Klimaschutz ist übrigens auch in China mittlerweile ein ganz starker Treiber hinter dem ganzen Fahrzeughype.
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