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Verkehrsminister will Pooling erlauben und Rückkehrpflicht abschaffen

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) legt ein Eckpunktepapier vor, das das Personenbeförderungsgesetz novellieren will - Pooling soll ermöglicht werden, die Rückkehrpflicht für Mietwagen entfallen. Taxi-Verband kündigt Proteste an.

Ergänzung, kein Ersatz: Dienste wie Clever Shuttle, eine DB-Tochter, fahren mit festangestellten Chauffeuren und füllen Lücken, die ÖPNV und Taxis lassen. Zudem erheben sie hohen Nachhaltigkeitsanspruch bei Fahrzeugen und Fahrteffizienz. | Foto: Clever Shuttle
Ergänzung, kein Ersatz: Dienste wie Clever Shuttle, eine DB-Tochter, fahren mit festangestellten Chauffeuren und füllen Lücken, die ÖPNV und Taxis lassen. Zudem erheben sie hohen Nachhaltigkeitsanspruch bei Fahrzeugen und Fahrteffizienz. | Foto: Clever Shuttle
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Johannes Reichel

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, das die Basis für eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes bilden soll. Damit folgt er einem entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag, in dem es heißt: "Neue plattformbasierte digitale Mobilitätsangebote brauchen eine rechtssichere Grundlage für die Zulassung." Das Papier sieht vor allem zwei wesentliche Änderungen des von 1961 stammenden Gesetzes zugunsten neuer Mobilitätsdienste vor. Zum einen soll die Rückkehrpflicht für sogenannte "Mietwagen mit Fahrer" entfallen, mit der Mobilitätsdienstleister gezwungen werden, nach jeder Fahrt an den Stammsitz zurückzukehren, sofern nicht unmittelbar ein Folgeauftrag vorliegt. Sie dürfen nicht am Straßenrand oder gar an Taxiständen auf neue Fahrgäste warten, wie etwa der US-Fahrdienst Uber das gerne auch in Deutschland praktizieren würde.

Poolingverbot soll fallen

Im Bezug auf die Taxistände hält Scheuer es weiter für "sinnvoll, bestimmte Bereiche für den Taximarkt zu reservieren". Außerdem will der Verkehrsminister das Poolingverbot abschaffen, das die Aufnahme weiterer Fahrgäste unterwegs untersagt. Mit Ausnahmeregelungen erlaubt ist das bisher nur Mobilitätsdiensten in einzelnen Pilotprojekten wie Clever Shuttle (DB), Berlkönig (Daimler/BVG) oder Moia (VW). Mit dem Pooling hofft das Ministerium auch die Mobillität in ländlichen Räumen zu verbessern.

Taxiverband: Existenzgefährdende Katastrophe

Ob die Eckpunkte des Papiers allerdings so Gesetz werden, ist zweifelhaft, denn auch der Bundesrat muss zustimmen und die Kommunen gehört werden. Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband (BZP) bezeichnete die Pläne als Katastrophe für die Branche und den Wegfall der Rückkehrpflicht als existenzgefährdend und warnt vor einer Zunahme des fließenden und des Parksuchverkehrs, wenn Mietwagen am Straßenrand parkten. Für den 21. Februar hat der BZP zu einer Demo vor dem Verkehrsministerium aufgerufen.

Die Daimler-Tochter "My Taxi", die den Markt für Taxi-Apps beherrscht, mittlerweile auch eine "Match-Funktion" für das Teilen von Fahrten erprobt und so eine Zwitterstellung zwischen Mobilitätsdiensten und Taxi-Betreibern einnimmt, sieht die Folgen weniger dramatisch. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Deutschland-Chef Alexander Mönch, er rechne damit, dass es in fünf bis zehn Jahren "einen bunten Strauß an Mobilitätsdienstleistungen" geben werde. Außerdem glaubt er, dass sich mittels der Mobilitätsdienste der Verkehr in Innenstädten spürbar reduzieren ließe.

Was bedeutet das?

Disruptiv nennt man das wohl, was gerade mit der ehrwürdigen Taxi-Branche passiert. Die strittige Frage ist, ob die Disruption in diesem Falle zum besseren oder zum schlechteren ausfällt. Denn es ist keineswegs ausgemacht, dass millardenschwere, rein profitorientierte Konzerne wie Uber die städtische Mobilität wirklich effizienter und nachhaltiger machen. Studien aus den USA deuten eher auf das Gegenteil hin.

Taxi-Dienste gehören nicht grundlos zum ÖPNV und als solche sollten Kommunen Zugriff darauf haben, wer auf ihren Straßen zu welchen Arbeitsbedingungen und mit welchen Verkehrsimplikationen Personen befördert.

Wer hier der reinen Lehre vom Heil durch Privatisierung und Deregulierung das Wort redet: Die Öffnung des Fernbusmarktes war zwar disruptiv und anfangs erfrischend, führte dann aber schnurstracks in ein Monopol. Schlimmer lief es bei den von Scheuers Vorgänger Dobrindt forcierten Public-Private-Partnerships bei Bau und Betrieb von Autobahnen. Im Falle von Uber würde das bei den Taxi-Diensten noch ergänzt durch miserable Sozialstandars und Fahren quasi zum Selbstkostenpreis. Das darf nicht passieren.

Nein, wie exemplarisch die BVG mit Berlkönig oder auch DB-Tochter Clever Shuttle das intelligent und smart umgesetzt anstreben, das könnte der richtige Ansatz sein: Die wollen den ÖPNV nicht ersetzen, sondern ergänzen. Ziel ist ganz klar: Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs mit seiner schlechten Auslastung.

Dem muss sich auch die Taxi-Branche öffnen, die Nachfrage ist da, ebenso die Technik: Einen Fahrgast einzeln von A nach B bringen, das ist nun wahrlich kein Musterbeispiel an Effizienz und das Gesetz stammt aus Zeiten, als man noch von der "autogerechten Stadt" träumte. Pooling macht Sinn, die Rückkehrpflicht wird den Vernetzungmöglichkeiten des Digitalzeitalters nicht gerecht.

Und die Öffnung findet ja teils bereits statt, wie viele Betriebe beweisen, die bei "My Taxi" angeschlossen sind. Die App unterscheidet sich übrigens kaum mehr von einem Dienst wie Clever Shuttle, inklusive Echtzeitverfolgung, Umwelttaxi oder "Match"-Funktion. Die Kunst des Kompromisses ist nun gefragt - und die Kommunen sollten die Oberhoheit über die "hoheitliche" Aufgabe des öffentlichen Personennahverkehrs behalten, coole Apps hin, Disruption her.

 

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