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Dieselkrise: Mehr Geld für E-Busse und Nachrüstung von Lieferwagen

Mit einem weiteren Finanzpaket von 432 Millionen Euro für die Anschaffung von E-Bussen und Umrüstung älterer Diesellieferwagen will die Bundesregierung drohende Fahrverbote abwenden. Die Kommunen halten das für völlig unzureichend. Derweil laufen die Umtauschaktionen schleppend.

Stillstand: Auch nach dem neuerlichen Diesel-Gipfel zeigt sich kein Licht am Ende des Tunnels im Skandal um Diesel und erhöhte NOx-Werte. | Foto: J. Reichel
Stillstand: Auch nach dem neuerlichen Diesel-Gipfel zeigt sich kein Licht am Ende des Tunnels im Skandal um Diesel und erhöhte NOx-Werte. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Die Bundesregierung hat nach ihrem Spitzentreffen mit Vertretern deutscher Kommunen bekannt gegeben, mehr Geld in die Anschaffung von Elektro-Bussen sowie in die Nachrüstung von dieselbetriebenen Lieferwagen und Leicht-Lkw stecken zu wollen. Dafür will man neben der Aufstockung des Sofortprogramms "Saubere Luft" von einer auf 1,5 Milliarden Euro zusätzlich 432 Millionen Euro bereitstellen, um Fahrverbote in Städten zu vermeiden. Wer genau im Gewerbe von der Förderung profitieren soll, blieb allerdings unklar. Zudem will das Bundesverkehrsministerium den Zulassungsprozess für Hardware-Nachrüstungen bei Euro-5- und Euro-6-Diesel-Modellen beschleunigen und die Vorgaben jetzt noch in diesem Jahr vorlegen. Ab 2. Januar könnten Nachrüster dann Bauteile entwickeln, die dann allerdings noch genehmigt werden müssten, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Auch die automatisierte Kennzeichenüberwachung zur Kontrolle etwaiger Einfahrverbote für Diesel wird von der Regierung trotz massiver Kritik von Kommunen, Ländern und Datenschützern weiter vorangetrieben. Hierfür habe man bereits rechtliche Änderungen beschlossen, verwies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Unzufriedene Kommunen: Kein schlüssiges Konzept in Sicht

Aus Sicht der am Gipfel beteiligten Kommunen reichen die Maßnahmen der Regierung weiterhin nicht aus. Der Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) Michael Ebling (SPD) kommentierte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, das sei für eine echte Verkehrswende zu wenig. In den nächsten zehn Jahren seien für einen nachhaltigen öffentlichen Nahverkehr 20 Milliarden Euro an Investitionen nötig. Aus seiner Sicht habe die Regierung kein schlüssiges Konzept gegen die drohenden Fahrverbote und ziehe auch die Autoindustrie nicht zur Verantwortung.

Noch drastischer äußerte sich der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der über den sogenannten Diesel-Gipfel als eine "Showveranstaltung" sprach. Die Aufstockung des Sofortprogramms begrüßte er zwar, hält die Summen aber auf die Kommunen heruntergebrochen für unzureichend. Für die Förderung aus dem bundesweiten habe man 127 Maßnahmen in einem Masterplan erarbeitet, die alleine mehrere hundert Millionen Euro kosten würden, so Reiter gegenüber der SZ. Zudem habe man zwar strenge Zeitvorgaben vom Bund erhalten, die Bearbeitung der Anträge ziehe sich aber hin. Sein Urteil: Mit dem bisher genehmigten Maßnahmen könne das Problem der hohen Stickoxidbelastung nicht annähernd gelöst werden.

Münchener OB Reiter: "Bankrotterklärung des Regierungshandelns"

Auch wies er darauf hin, dass nur sieben Prozent der NOx-Belastung auf die Emissionen von Stadtbussen zurückgeführt werden können. Für wichtiger hält er daher, beim Individualverkehr und bei Lieferdiensten anzusetzen. Die angekündigte automatisierte Kontrolle zur Einhaltung von Fahrverboten hält der Münchener OB für viel zu aufwändig und zu teuer, zumal ein simpler Aufkleber die gleiche Funktion erfülle. Und dass zur Einhaltung der Stickoxidwerte die Verlegung der Messstationen ins Spiel gebracht wurde, bezeichnete Reiter als absurd. Er sprach über den gesamten Prozess der Bewältigung der Diesel-Krise als "Bankrotterklärung des Regierungshandelns".

Greift nicht: Umtauschprämien geraten zum Flop

Unterdessen laufen die erneuerten Umtauschaktionen für ältere Diesel-Fahrzeuge, der wichtigste politische Hebel des Verkehrsministeriums gegen die Krise, offenbar äußerst schleppend an. Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet, würden die Rabattaktionen vor Weihnachten, traditionell eine maue Zeit für Autokäufe, miserabel angenommen. Zudem erschwert die Umstellung auf den WLTP-Zyklus das Geschäft. Vor allem beim VW-Konzern, Auslöser und Hauptakteur des Abgasbetrugs, sind kaum Neuwagen der neuesten Einstufung Euro 6dTemp lieferbar.

Kein einheitliches Rabattsystem, Wertverlust höher

Auf Kritik stößt auch, dass die Umtauschprämien von Hersteller zu Hersteller völlig uneinheitlich gehandhabt werden. Gegenüber dem Spiegel bemängelte Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg, dass das Ministerium es nicht geschafft habe, ein einheitliches Rabattsystem zu installieren. Bei manchen wie Mercedes und Opel gilt die Stadtgrenze besonders betroffener Kommunen, bei anderen auch der Umkreis wie bei BMW und Mini, bei VW genügt die Verwandtschaft mit einem Bürger einer belasteten Stadt. Bei BMW weist man laut dem Nachrichtenmagazin auch darauf hin, dass die Rabatte bei weitem nicht den erlittenen Wertverlust ausgleichen würden und zeigt sich wenig verwundert über die Kaufzurückhaltung. 

Was bedeutet das?

Unrecht hat er nicht, Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter: Ein paar neue Elektro-Busse werden die Stadtluft nicht rein machen und Fahrverbote verhindern. Zumal deutsche Hersteller hier ja noch gar nicht liefern können und der Bundesverkehrsminister Scheuer mehrfach betont hat, er wolle kein Förderprogramm für ausländische Busfabrikanten auflegen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz und es offenbart sich die blanke Not, die in Berlin regiert. Sehenden Auges hat man über Jahre der Entwicklung freien Lauf gelassen, die jetzt auf die Schnelle nicht zu korrigieren ist. Es braucht nämlich in der Tat eine große, konzertierte Verkehrswende, nicht ein paar kleine Almosen für akute Fälle. Zumal die schönen Fördermillionen ja von Steuergeld bezahlt werden, das Unternehmen und Privatleute vorher aufgebracht haben. Sand in die Augen streuen, nennt man das. Und damit zahlen Diesel-Besitzer jetzt doppelt und dreifach: Einmal mit dem Wertverlust, dann mit dem Fahrverbot und am Ende mit ihren Steuern. Fast schon irre mutet die Weigerung an, endlich mit einer simplen blauen Plakette für Planungssicherheit zu sorgen. Stattdessen packt man die große Überwachungskeule aus, weil sich insbesondere die mitkoalierende CSU seit Dobrindts unseligen Zeiten in der Ablehnung des blauen Pickerls völlig verrannt hat und das Gesicht wahren will. Was für ein absurdes Mobiliäts-Theater auf Kosten der Bürger, Kommunen und Verwaltung!

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